III. Uhrenwelt

2. Kassels Kuhrmacher-Star: Jost Bürgi (1552-1632)

Jost Bürgi
<<

(2 von 5)

>>

Portrait Jost Bürgis

Jost Bürgi, laut seinem Porträt auch Jobst Bürgi, *28.02.1552 in Lichtensteig/ Toggenburg, † 31 .01.1632 in Kassel, war ein neben seiner Tätigkeit als Uhrmacher auch Instrumentenerfinder, Mathematiker und Astronom. Bürgi baute im Jahr 1585 in Kassel die erste Uhr mit Sekundenzeiger. Das ist äußerst beachtlich, denn man dürfte damals wohl kaum eine Vorstellung von einer Sekunde gehabt haben. Mit Bürgi wurde eine für das technische Weltgeschehen nicht wegdenkbare physikalische Einheit festgelegt: er ist quasi der Erfinder der Sekunde.

Der Mondkrater Byrgiusund der Asteroid (2481) Bürgi sind nach ihm benannt. In Kassel ist die Bürgistraße im Stadtteil Wesertor nach ihm benannt, in Berlin-Lichtenfelde der Bürgipfad. In seinem Heimatstädtchen Lichtensteig ist ebenfalls die Bürgistrasse nach ihm benannt.

Allgemeines

Jahrhundertelang war Jost Bürgi vor allem als Erbauer der ersten astronomisch genutzten Sekundenuhr, als der Hersteller präziser Himmelsgloben, als Konstrukteur wissenschaftlicher Messgeräte und als Co-Erfinder der Logarithmen bekannt. Nun weist eine von ihm 1587/92 verfasste, von Menso Folkerts entdeckte und von Dieter Launert kommentierte und edierte Handschrift nach, dass er darüber hinaus ebenfalls der Erfinder der astronomischen Differenzenrechnung, einzigartiger algebraischer Algorithmen zur Sinusbestimmung und rekursiver polynomer Tabellengenerierung ist. Vielfach irrtümlich als Mitarbeiter Johannes Keplers dargestellt, war er hierarchisch als kaiserlicher Hofuhrmacher dem kaiserlichen Mathematiker Kepler gleichgestellt sowie mit diesem befreundet. Während ihrer achtjährigen gemeinsamen Anstellungszeit in diesen Funktionen von 1604 bis 1612 am Kaiserhof Rudolfs II. in Prag profitierte Johannes Keplervon Jost Bürgis Mathematikinnovationen, astronomischen Daten und Instrumenten, während Kepler für diesen ebenfalls unter Schweigegebot das Coss-Algebra Manuskript redigierte.

Drei Phasen prägen den Lebensweg Jost Bürgis: die noch immer weitgehend undokumentierte und bis zum 28. Lebensjahr reichende Phase der Kindheit, Jugend, Ausbildung und Walz des in Lichtensteig im Toggenburg zur Welt gekommenen Jost Bürgi; zweitens die ein gutes Vierteljahrhundert lang andauernde Tätigkeit Jost Bürgis als Hofuhrmacher am Fürstenhof von Hesen-Kassel (1579–1604, angestellt von Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel), wo er seine maßgebenden Werke schuf; sowie drittens ein weiteres Vierteljahrhundert am Kaiserhof zu Prag (1604–1630, angestellt von Kaiser RudolfII.), während dem er acht Jahre lang Johannes Kepler unterstützte und von dort 1631, ein Jahr vor seinem Tod, nach Kassel zurückkehrte.

Himmelsglobusuhr von Jost Bürgi

Himmelsglobusuhr von Jost Bürgi, um 1585, Anna Amalia Bibliothek Weimar

Die Entdeckung eines bis jetzt unbekannten Manuskriptes „Fundamentum Astronomiae“ stellt Jost Bürgi wissenschaftlich in eine Reihe mit seinen Zeitgenossen Galileo Galilei und Johannes Kepler sowie Tycho Brahe, dessen Genauigkeit er übertraf. Im Auftrag des Landgrafen Wilhelm IV. beobachtete der Uhrmacher Bürgi auf der Kasseler Sternwarte, einer der ersten festen Einrichtungen dieser Art in Europa, auch die Gestirne, ab 1584 zusammen mit dem Hofmathematiker Christoph Rothmann. Schon vor dessen Eintritt hatte Bürgi die Messinstrumente zu warten und aus eigenem Antrieb auch ihre Bauweise verbessert. Zu den von ihm neu entworfenen Geräten zählten Uhren, Modelle des Kosmos wie seine verschollenen Planetengloben und berühmten Himmelsgloben (als Vorgänger des Planetariums) sowie neue Vermessungsinstrumente, wie der erste metallene Sextant, ein universeller Reduktionszirkel, ein Triangularinstrument und ein Gerät zum perspektivischen Zeichnen.

Was Jost Bürgi von allen anderen Herstellern von Himmelsgloben und von sämtlichen Zeitgenossen unterscheidet, ist seine geniale mathematisch-technische Universalität, die in der Wissenschafts-, Astronomie-, Mathematik- und Instrumentengeschichte ihresgleichen sucht. Er erhob die astronomischen Daten selbst und entwickelte dafür neuartige Instrumente wie den metallenen Sextant und die sekundengenaue Observatoriumsuhr zur Himmelskörpervermessung im Horizontalverfahren. Anschließend berechnete er aus den Beobachtungsdaten mit eigens von ihm entwickelten mathematischen Methoden der Logarithmenrechnung und von ihm geschaffenen Algorithmen der Sinusbestimmung sowie der Differenzenrechnung die sphärischen Positionen der Himmelskörper mit damals unübertroffener Genauigkeit und Effizienz. Diese Daten übertrug er in Form von 1026 Sternpositionen mit Bogenminutenpräzision auf seinen kleinen, nur 14,2 cm Durchmesser großen Himmelsglobus von 1594, der seinem Besitzer zu jeder Tages- und Nachtzeit den aktuellen Sternenhimmel aufzeigte und ebenfalls den Sonnenstand sowie das Datum, die Uhrzeit, den Wochentags- und kirchlichen Feiertagsnamen mit automatisiertem Schaltjahrausgleich. Dank der von ihm erfundenen Rutschkupplung konnte der Benutzer aber auch jederzeit beliebige Zeitpunkte der Vergangenheit und Zukunft einstellen und ohne Beeinflussung der aktuellen Funktionen die astronomischen Vergangenheits- bzw. Zukunftskonstellationen ansehen und berechnen.

Zu Bürgis wichtigsten mathematischen Leistungen zählt mit seiner Artificium-Kunstwegtabelle die Erfindung der Differenzenrechnung und die anschließende Erstellung einer von 2 zu 2 Bogensekunden fortschreitenden Sinustafel („Canon Sinuum“, nach 1592, verloren), sowie die weltweit erste Zusammenstellung einer Logarithmentafel („Arithmetische und geometrische Progresstabulen …“, Druck 1620). In der Handschrift „Fundamentum Astronomiae“ (1592 an Kaiser Rudolph II. übergeben) erklärt Bürgi seinen „Kunstweg“, einen völlig neuen algebraischen Weg zur Berechnung von Sinuswerten mit einem schnell konvergierenden Algorithmus, bei dem er nur Additionen und Halbierungen braucht; und er gibt eine Sinustafel mit einer Schrittweite von 1´ an. Bürgis Verfahren kannte Henry Briggs um 1620 in Oxford. Die Entdeckung der Logarithmen wird Bürgi unabhängig von John Napier zugeschrieben und erfolgte nach den Worten Keplers viele Jahre vor Napier. Er veröffentlichte seine Entdeckung allerdings später als Napier.

Im Jahre 1585 konstruierte Bürgi für den Landgrafen Wilhelm IV in Kassel eine Uhr mit drei Zeigern, die Stunden, Minuten und Sekunden anzeigte. Zwar gab es schon früher – spätestens um 1560 – Uhren mit Sekundenzeigern, aber für die Kasseler Uhr ist erstmals die detaillierte wissenschaftliche Verwendung dieser neuen Uhren mit hoher Anzeige-Genauigkeit archivalisch greifbar. Neben dieser besonderen Uhr und den vielen wissenschaftlichen Instrumenten verfertigte Bürgi auch andere Geräte, die in der Kunst- und Wunderkammer des Landgrafen von Hessen ausgestellt wurden. Es waren zum Beispiel eine große kupferne Himmelskugel und ein nach dem ptolemäischen Weltbild eingerichtetes astronomisches Uhrwerk. Das heliozentrische copernicanische Weltbild ist bereits in seiner Mond- und Sonnenäquationsuhr von 1591 abgebildet.

Da Bürgi kaum Lateinkenntnisse hatte, fertigte der mit Bürgi befreundete Nicolaus Reimers (Ursus) in den Jahren 1586 bis 1587 am Hofe des Landgrafen Wilhelm IV. für Bürgi eine deutsche Übersetzung von Copernicus’ De revolutionibus orbium coelestium an, die als sogenannte Grazer Handschrift erhalten ist. Dies gilt als die erste deutsche Übersetzung von Copernicus’ Hauptwerk, drei Jahrhunderte vor der von Menzzer, die 1879 gedruckt wurde.

Leben

Bürgis Werdegang bis zu seiner 1579 erfolgten Anstellung als Hofuhrmacher und Astronom des Landgrafen WilhelmIV. von Hessen-Kassel ist kaum bekannt. Über Bürgis Jugend und Ausbildung wissen wir fast nichts. Er lernte das Silberschmiedehandwerk wahrscheinlich bei dem 1567/68 aus Augsburg nach Lichtensteig zugezogenen Gold- und Silberschmied David Widiz, danach erhielt er wahrscheinlich in Winterthur oder Schaffhausen eine Uhrmacherausbildung und lernte weiter mit großer Wahrscheinlichkeit in Augsburg und mit Sicherheit in Nürnberg.

Jost Bürgi • Grabstein

Grabstein von Jost Bürgi auf dem Altstädter Friedhof in Kassel

Bürgi hat keine höhere Schule besucht und war des Lateins unkundig. Dass er in Straßburg bei Josiasund Isaak Habrechtan der zweitenStraßburger Münsteruhrgearbeitet habe, wird heute bezweifelt. Sein noch unbekanntes Talent wurde von dem Astronomen-Landgrafen WilhelmIV. von Hessen-Kassel entdeckt, der zeitweise inStraßburgstudiert hatte. Seine mathematischen Kenntnisse erwarb er teilweise autodidaktisch, wie andere vermuten in Straßburg u.a. beim Schweizer MathematikerKonrad Dasypodius, sowie seine handwerklich-technische Perfektion wahrscheinlich auf der Walz inAugsburgund Nürnberg. Nicht auszuschließen ist auch ein Italienaufenthalt in Mailand, Florenz oder Cremona.

Werk als Instrumentenbauer

Als Bürgi nach Kassel kam, war dort schon seit etwa 20 Jahren der sehr bedeutende Uhrmacher Ebert Baldewein tätig, der zwei mechanisch sehr bedeutungsvolle Planetenuhren gebaut hatte (die 1561 fertiggestellte steht heute noch im Astronomisch-Physikalischen Kabinett in Kassel), die von 1568 für Kurfürst August von Sachsen, heute im Mathematisch-Physikalischen Salon Dresden. Außerdem hat Baldewein 1575 einen großen, für sich allein stehenden Himmelsglobus hergestellt, der als Erster dieser Art durch ein im Inneren des Globus befindliches Uhrwerk betrieben wurde. Der Stand der Uhrmacherei war 1579, als Bürgi in Kassel seine Tätigkeit aufnahm, bereits erstaunlich hoch, wenn man ihn mit dem um 100 Jahre früher vergleicht.

Meschanischer Himmelsglobus • Jost Bürgi

Mechanischer Himmelsglobus, hergestellt 1594 in Kassel

Mathematisches Werk

Als abstraktem Wissenschaftler steht ihm neben Napier die Aufstellung einer der ersten Logarithmentafeln zu (genauer einer Antilogarithmentafel). Für Berechnungen seiner Modelle und astronomischen Messungen erstellte Bürgi zunächst nach Kepler sehr genaue Sinustafel in Anschluss an Peuerbach, die nach Bramer in Abständen von 2 Bogensekunden fortschritt, aber nicht erhalten ist (bis auf ein Vorwort in Keplers Nachlass), und er entwickelte wie auch andere zeitgenössische Mathematiker Mitte der 1580er Jahre eine Prostaphairesis genannte Methode zur Erleichterung der Multiplikation weiter, die von trigonometrischen Identitäten ausgeht. Seine Logarithmentafeln entwickelte er nach Keplers (in einer Bemerkung in seinen Rudolfinischen Tafeln von 1627) und Bramers Zeugnis schon vor 1610, also vor Napiers erster Veröffentlichung (1614). Manchmal wird die Entdeckung auch bis 1588 datiert nach einer Bemerkung von Reimarus (Ursus), dass Bürgi eine Methode zur Vereinfachung von Rechnungen besäße.

Stellt man die Bürgi-Globen jenem von Baldewein gegenüber, so ist letzter zweifelsohne als wesentliche Ausgangsgrundlage der Bürgi-Globen zu erkennen, aber gleichzeitig sind sofort sehr starke Fortschritte Bürgis festzustellen. Bürgi ist daher nicht erst bei Baldewein allmählich in die hohe Uhrmacher- und Mechanikerkunst hineingewachsen, sondern ist bereits mit beträchtlichen Erfahrungen und starken eigenen Vorstellungen eingetreten. Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass der junge Bürgi Anregungen von den besten Uhrmachern seiner Zeit, wie z. B. vom Nürnberger Christian Heiden und Gianello Torriano (1500–1585) aus Cremona, erhalten hat. Wie die neueste Forschung zeigt, ist er 1576 in Nürnberg gewesen, um den vergoldeten Erd- und Himmelsglobus des soeben verstorbenen Christoph Heiden fertigzustellen.

Logarithmentafel • Jost Bürgi

Titelblatt zu Jost Bürgis Logarithmentafel von 1620

Napier hatte seine Logarithmenmethode durch die Veröffentlichung einer Anleitung bekannt gemacht (1614) und wurde dadurch als „Erfinder der Logarithmen“ berühmt. Jost Bürgi hingegen hatte „sein Licht unter den Scheffel gestellt“ und lange Zeit nicht publiziert, obwohl ihn Kepler dazu drängte. Als er dies 1620 schließlich doch tat („Arithmetische und Geometrische Progress Tabulen, sambt gründlichem unterricht, wie solche nützlich in allerley Rechnungen zugebrauchen und verstanden werden sol“), veröffentlichte er nur die Tafeln ohne Anleitung (diese erschien erst 1856) und die wenigen in Prag gedruckten Exemplare wurden auch noch größtenteils Opfer des beginnenden Dreißigjährigen Krieges. Auch Kepler, der Bürgis Logarithmentafeln seit 1603 kannte, aber darüber schweigen musste, rezipierte begeistert vor allem Napiers Logarithmen, als ihm diese 1617 bekannt wurden und widmete ihm seine Ephemeriden von 1620. Als Grund für die zögerliche Haltung von Bürgi zu Publikationen wird vermutet, dass er nach den Maßstäben seiner Zeit wegen fehlender Kenntnisse in der damaligen Wissenschaftssprache Latein als ungebildet galt und deshalb unsicher war. Bürgi war Mechaniker, ein Praktiker, der seine mathematischen und astronomischen Erkenntnisse in praktische Rechenverfahren (Logarithmen) oder in hochkomplexe mechanische Modelle (für die astronomischen Erkenntnisse) umsetzte und nicht in Bücher.

Bürgi hatte keinen besonderen Namen für die Logarithmen, die er durchgängig als rote Zahlen darstellte, im Gegensatz zu den schwarzen Zahlen für den zugehörigen Numerus. In der Konstruktion der Tafeln ging er ähnlich vor wie Napier. Ausgangspunkt war die seit Michael Stifel und anderen bekannte Gegenüberstellung von geometrischen und arithmetischen Folgen, die für praktische Anwendungen in den Tafeln aber viel feiner zu erfolgen hatte. Die zur n-ten Stelle der arithmetischen Folge (dem Logarithmus) gehörige Zahl ergab sich als:

Logarithmenformel • Jost Bürgi

wobei ein großer Vorfaktor gewählt wurde, um Dezimalstellen zu vermeiden. Voellmy verweist darauf, dass dies implizit zu einer Basis führt, die nahe der Eulerschen Zahl liegt, also der Basis der natürlichen Logarithmen. In seiner Tafel waren 23.030 Einträge auf 58 Seiten mit den Logarithmen n der Zahlen 10^8 (der Wert entsprach der Einheit und damit n=0) bis 10^9. Aufgetragen waren die Logarithmen am Rand (rote Zahlen, jeweils mit Faktor 10), die zugehörigen Numeri (schwarze Zahlen) in den Zeilen und Spalten, jeweils mit acht signifikanten Stellen für die Numeri. Die Anordnung ist also umgekehrt zu üblichen Logarithmentafeln. Er gab in einem erst viel später gedruckten Text auch Erläuterungen zur Interpolation und Verwendung, zum Beispiel wie man mit der Tafel Kubikwurzeln ziehen konnte.

Als Rechner und innovativer Mathematiker führte er einen Dezimalpunkt ein und handhabte Dezimalbrüche. Nicht nur der Kaiserliche Mathematiker Nicolaus Reimers nannte ihn eine Kombination von Archimedes und Euklid und seinen Lehrer, sondern auch bei Kepler stand Jost Bürgi in hohem Ansehen. Beide waren ausser Bürgis Pflegesohn Benjamin Bramer die Einzigen, die Jost Bürgis mathematische Methoden zu Gesicht bekamen und, gebunden an ein Schweigegelübde, nutzen konnten. Dass er von seinen vier Werken zur Mathematik selbst nur ein einziges verspätet und ohne gedruckte Gebrauchsanweisung inmitten des in Prag tobenden Krieges veröffentlichte (1620: „Progresstabulen“), aber die anderen drei Manuskripte nicht, wird von Bürgis Biograf Fritz Staudacher nicht so sehr auf seine Legasthenie und den kurzen Besuch der Lichtensteiger Dorfschule zurückgeführt, sondern auf die damalige Omnipräsenz des hochadeligen, sich seiner Abstammung sehr bewussten und akademisch hochgebildeten Tycho Brahe. Brahe war als streitbar und jähzornig bekannt, genoss aber in Prag kaiserliche Protektion, dass er noch durch seine Erben selbst Keplers Hauptwerke zensurierte. Er war auch mit Bürgis Freund Nicolaus Reimers zerstritten, was dessen letzte Lebensjahre belastete. Die drei von Jost Bürgi verfassten, aber von ihm vor allem vor Brahe geheim gehaltenen Manuskripte sind: der bis heute verschollene, aber von Kepler und Bramer bezeugte Canon Sinuum von 2 Schrittweite mit acht Stellen; die in Keplers Nachlass gefundene und von ihm 1603 redigierte „Bürgi Coss“, eine Anleitung zur Algebra (Coss) von Bürgi, die erst 1973 veröffentlicht wurde;[14] und drittens das von Jost Bürgi 1586/92 verfasste, erst 2013 von Menso Folkerts entdeckte und 2016 von Dieter Launert transkribierte, kommentierte und edierte „Fundamentum astronomiae“ mit der ersten astronomischen Differenzenrechnung, dem Sinus-Kunstweg zur algebraischen sehr effizienten und genauen Sinusbestimmung, sowie rekursive Polynom-Generierungen und Interpolationen von Tabellen, die Methoden Henry Briggs sowie gemäß Denis Roegel die Methoden von Isaac Newton, de Prony und Charles Babbage Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte vorwegnehmen. Ob und auf welchem Weg diese auf dem Kontinent nicht bekanntgewordenen Bürgi-Methoden und Algorithmen Henry Briggs zur Kenntnis gebracht wurden, wird von Staudacher in der dritten und vierten Auflagen seiner Bürgi-Biografie diskutiert und ist nicht abschließend geklärt. Am 2. Internationalen Jost-Bürgi-Symposium 2018 in Lichtensteig stellte Jürgen Hamel eine weitere bis jetzt unbeachtet gebliebene und von Jost Bürgi 1598 für den Grafen Simon zur Lippe unterzeichnete Handschrift vor, das ihn als Metallurgisten ausweist und auf seine Ausbildung als Gold- oder Silberschmied schließen lässt.

© 2023 | Uhrmacher-Atelier Vieira • Kassel | Alle Rechte vorbehalten.

OK