III. Uhrenwelt

1. Uhrentypen

Wanduhr • Gustav Becker

a. Die Wanduhr

Bei der Wanduhr handelt es sich um eine Großuhr, die an der Wand befestigt wird. Sie wird in einer Vielzahl von Uhrentypen untergliedert.

Von der Kuckucksuhr bis zum Regulator handelt es sich um Wanduhren. Dabei ist die Trennung zu den Stutzuhren manchmal unscharf. Diese wurden schon früher nicht nur auf Möbeln, sondern auch auf Konsolen an der Wand aufgestellt.


Altdeutsche Wanduhr aus dem 19. Jahrhundert von Gustav Becker

b. Die Standuhr


Die Standuhr (auch Bodenstanduhr, Dielenuhr oder Hausuhr genannt) ist eine auf dem Fußboden stehende, gewichtsangetriebene Pendeluhr.


Dieser Uhrentyp entstand im 17. Jahrhundert in England. Dann verbreitete er sich nach Amsterdam, Norddeutschland und Skandinavien. In Bayern und Österreich entwickelten sich keine regionaltypischen Varianten wie in anderen Gegenden (Bergisches Land, Odenwald, Angeln, England, Bornholm). Teilweise wurden zur Zeit der handwerklichen Fertigung, bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts, die Uhrwerke mit dem umgebenden, oberen Gehäuseteil ("Kopf") verkauft und der Käufer ließ sich den Rest des (häufig insgesamt dreiteiligen) Gehäuses passend anfertigen. Der Kopf konnte bis dahin auch als Wanduhr verwendet werden, mitunter entstand der Rest des Gehäuses dann erst später, je nach finanziellen Möglichkeiten des Besitzers. Besonders im England des 18. und 19. Jahrhunderts gehörten Bodenstanduhren über Generationen zu jedem gutsituierten Haushalt, doch auch in Deutschland waren sie weit verbreitet, nicht nur im Bürgertum, sondern in einigen Regionen auch bei wohlhabenden Bauern. In Frankreich sind einfache Bodenstanduhren als Comtoise-Uhren bekannt. Alle Bodenstanduhren wurden bis zum 20. Jahrhundert in den jeweiligen Stilepochen als Möbelstück gestaltet, z.B. von der Berliner Firma A. Mustroph (AMUF), seit Mitte des 19. Jahrhunderts mit industriell hergestellten Uhrwerken, auch mit drei Gewichten und Westminsterschlag. Möbelfabriken boten ab dieser Zeit oft einheitlich gestaltete Zimmereinrichtungen an, zu denen dann auch eine passende Bodenstanduhr erhältlich war. Neuerdings werden auch Modelle mit Quarzuhrwerk verkauft, bei denen das hohe Gehäuse wegen des fehlenden Pendels nur noch dekorative Funktion hat oder anderweitig (z. B. als Regal) verwendet wird.

Standuhr

Der auf dem Boden stehende, das Uhrwerk, Gewichte und Pendel schützende Kasten hat eine Höhe bis zu 3 m. Es sind auch einige höhere Uhren bekannt, wie die Standuhr in der oberen Rathaushalle in Bremen, die fast 5 m hoch ist. Mit der Möglichkeit, lange Pendel einzubauen, erreichte die Bodenstanduhr schon um 1700 bei sorgfältiger Werksausführung vorher nicht denkbare Ganggenauigkeiten. Die Bodenstanduhr wurde technisch laufend verbessert, so dass sie auch weiter sehr gute Gangergebnisse, entsprechend ihrer Herstellungsperiode, erreichte.

Aus Präzisionspendeluhren (Bodenregulatoren) mit Kompensationspendel und besonders hochwertigen Werken entstanden vom 18. bis ins 20. Jahrhundert Bodenstanduhren in klarer, sachlicher Form für die Präzisionszeitmessung in Observatorien und als Hauptuhren im wissenschaftlichen Bereich. Bodenstanduhren gibt es mit verschiedenen Komplikationen (Kadratur), von der Datumsanzeige bis zu Astronomischen Indikationen. Außerdem haben fast alle Uhren diesen Typus einen oder mehrere Zusatzräderwerke, vom einfachen Schlagwerk bis zu Flöten- und Orgelspielwerken.

c. Die Stutzuhr

Als Stutzuhren (auch Stockuhren oder Bracket Clocks) wird eine Form von Räderuhren mit Federwerk bezeichnet, die zum Aufstellen auf Tischen, Kommoden, Kaminen oder Konsolen geeignet sind, und sich dadurch von Bodenstanduhren, Wanduhren und tragbaren Uhren abgrenzen. Stockuhren werden unterschieden in Aktaruhren, Figurenuhren, Pendulen, Portaluhren, Spiegeluhren, Tischuhren, Türmchenuhren und Zappler. Große Bedeutung für die Entwicklung der Stockuhren hatte die Pendelkonstruktion des holländischen Physikers Christian Huygens (1629–1695).

Stutzuhr • Stockuhr • Bracket Clock

Charakteristisch für Stockuhren des 17. und 18. Jahrhunderts sind massive Messingwerke mit Spindelgangang und Federantrieb mit Kette und Schnecke. Bedeutende Beispiele für meisterhafte Bracket Clocks stammen vom Londoner Uhrmacher Thomas Tompion (1639–1713).

Taschenuhren

d. Die Taschenuhr

Eine Taschenuhr (auch Sackuhr genannt) ist eine Uhr, die an einer Kette in einer Hosen- oder Jackentasche (sogenannte Fracktaschenuhr) getragen wird. Damen trugen Taschenuhren oftmals auch an einer Kette um den Hals oder an der Taille. Taschenuhren sind heute weitgehend aus der Mode gekommen. Ab etwa 1930 wurden sie zunächst durch Armbanduhren ersetzt.

Die Entwicklung von Taschenuhren wurde möglich, nachdem im frühen 15. Jahrhundert der Federantrieb erfunden wurde. Die älteste erhaltene Uhr mit Federantrieb (und der zugehörigen Schnecke als Gangregulierung) stammt von circa 1430 und wird als „Die Uhr Philipps des Guten von Burgund" im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg aufbewahrt. Bis zu dieser Zeit wurden mechanische Uhren durch Gewichte betrieben. 

Peter Henlein (um 1479–1542) aus Nürnberg hat um 1511 diesen Federantrieb in Verbindung mit einem Hemmmechanismus der Federbremse als einer der ersten deutschsprachigen Hersteller in eine tragbare Uhr eingebaut. So konnte er diese auf Taschengröße verkleinern. Diese Taschenuhr hat die Form einer Dose (daher auch tragbare Dosenuhr genannt) und wurde wohl in einem Beutel getragen. Ein Exemplar findet sich z.B. im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Die „Erfindung“ wurde lange Peter Henlein aus Nürnberg zugeschrieben (um 1504/1509), heute tendiert die Forschung jedoch dazu, eine länger anhaltende Entwicklung anzunehmen. Seine Uhren gehören jedoch zu den ältesten erhaltenen Exemplaren. Peter Henleins Beitrag hierzu wird spekulativ verschiedentlich angenommen als Erfinder des Stackfreed. Den Namen Nürnberger Ei haben diese Uhren jedoch nicht, wie noch immer fälschlicherweise behauptet wird, aufgrund ihrer Eiform. Der Name ist vielmehr eine Verballhornung von „Aeurlein“, also Ührlein. Sicher ist jedoch, dass Süddeutschland, vor allem die beiden bedeutenden Handelsstädte Nürnberg und Augsburg, ein Zentrum der frühen Uhrmacherkunst war.

Der Besitzer einer der ältesten erhaltenen Taschenuhren (datiert auf das Jahr 1530) soll Philipp Melanchthon gewesen sein. Die älteste Darstellung einer am Körper tragbaren Uhr findet sich auf dem Gemälde Der Kaufmann von Georg Giszevon Hans Holbein d.J. (1532). Diese Dosenuhren wurden in der Frühzeit vor allem in Süddeutschland, aber auch in Frankreich und wohl in Italien hergestellt. Eine frühe Dosenuhr (im Nationalmuseet Kopenhagen) stammt aus dem Jahr 1533 und wurde vermutlich von Hans Zelltner, einem Wiener Hofuhrmacher, gefertigt. Aus diesen Dosenuhren – die wohl in Beuteln getragen wurden – entstanden zunächst tragbare Halsuhren, die an einer Kette oder einem Band um den Hals getragen wurden (ab 1530/40). Frühe tragbare Uhren hatten Unrasthemmungen (entweder als Radunrast oder als Löffelunrast). Aufgrund der daraus resultierenden Gangungenauigkeit waren sie durchwegs nur mit einem Zeiger (Stundenzeiger) ausgestattet. Erst ab der Mitte des 17. Jahrhunderts wurden die ersten Taschenuhren mit Spindelhemmung hergestellt und dann auch mit einem Minutenzeiger ausgestattet. Exemplare aus dem 16. Jahrhundert sind sehr selten und nur in bedeutenden Uhrensammlungen zu finden. 

Die meisten älteren Taschenuhren (man schätzt über 80%) sind unsigniert, da das Anbringen von Firmennamen und Firmenlogos bis ins 19. Jahrhundert unüblich war. Sie können heute oft nur aufgrund spezifischer Bauarten oder Gravuren bestimmten Manufakturen zugeordnet werden. 

Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts setzte die industrielle Herstellung von Taschenuhren ein. Auch wenn dadurch die Preise sanken und somit nicht mehr nur die wohlhabendsten Schichten eine Taschenuhr anschaffen konnten, blieb sie nach wie vor ein Statussymbol. Solide Uhren mit Silbergehäuse waren nun auch beim Bürgertum und bei wohlhabenden Bauern weit verbreitet, goldene Uhren mit besonders aufwendigen Werken ein Luxusgegenstand für Reiche. In der Zeit um 1900 erreichte die Taschenuhrenproduktion ihren Höhepunkt und aus dieser Zeit stammen auch die meisten heute noch erhaltenen Exemplare. Nach dem Ersten Weltkrieg kam die Taschenuhr zunehmend aus der Mode und die Armbanduhr setzte sich durch.

Kunstvoll gearbeitete Taschenuhren waren (und sind teilweise immer noch) ein Symbol für Reichtum und Noblesse. Früher war der Erwerb einer Taschenuhr nur sehr Begüterten möglich, die sich oftmals auch damit darstellen ließen, etwa wie Maria Teresa von Spanien im 17. Jahrhundert vom Maler Diego Velásquez, die auf dem Bild mit gleich zwei Taschenuhren abgebildet ist. Auf vielen anderen Porträts bis ins 20. Jahrhundert ist nur noch die, meist kunstvoll gestaltete, Taschenuhrenkette sichtbar. Mit dieser wurde die Taschenuhr an der Hose oder am Wams befestigt.

Gehäusebauformen

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts waren Uhrengehäuse tragbarer Uhren normalerweise dosenförmig oder kugelförmig, seltener von ovaler Form. Erst später wurde die Wandung bauchiger, ehe schließlich die uns noch heute geläufige, flache Form der Taschenuhr entstand. Daneben existierten vor allem am Ende des 16. Jahrhunderts eine Vielzahl von Formuhren, die Kreuze, Muscheln, Sternen, gelegentlich auch Totenschädel darstellten.

Bisamapfeluhr:

die älteste sicher nachweisbare Bauform (ab ca. 1520), in Form einer kleinen Kugel mit innen liegendem Zifferblatt und Werk. Eine solche Uhr soll im Besitz Philipp Melanchthons gewesen sein.

Dosenuhr:

Frühe Bauform (ab ca. 1530), in Form einer kleinen Dose ohne Deckel. Verwendbar als Tischuhr und tragbar in einem Beutel.

Halsuhr:

In Form einer kleinen flachen Dose mit einem durchbrochenen Metalldeckel und Ring zum Tragen an einem Band um den Hals, später (ab 1590) auch mit einem Bergkristalldeckel

Kreuzuhr:

Eine von vielen Formvarianten des Gehäuses, die ab dem Ende des 16. Jahrhunderts bis Ende des 17. Jahrhunderts in Mode waren

Savonnette:

Mit Sprungdeckel, die Aufzugskrone sitzt seitlich.

Halbsavonnette

Lépine:

ohne Deckel, die Aufzugskrone sitzt oben

Flieger-Taschenuhr:

mit um 180° verdrehtem Zifferblatt, da die Uhr im Flugzeug über Kopf eingehängt wurde (Doxa, Stowa)

Frackuhr:

mit geringer Größe und einer besonders flachen Bauweise

Armbanduhr

c. Die Armbanduhr

Eine Armbanduhr ist ein zu den Kleinuhren gehörendes Zeitmessgerät, das mit Hilfe eines Armbands (Uhrenarmband), eines Armreifes, einer Spange oder eines Kettchens um das Handgelenk oder den Unterarm getragen wird. Die technisch im 19. Jahrhundert realisierte Armbanduhr etablierte sich im 20. Jahrhundert. Früher unterschied man (häufiger als heute) die Damenarmbanduhr von der Herrenarmbanduhr.Eine Taschenuhr (auch Sackuhr genannt) ist eine Uhr, die an einer Kette in einer Hosen- oder Jackentasche (sogenannte Fracktaschenuhr) getragen wird. Damen trugen Taschenuhren oftmals auch an einer Kette um den Hals oder an der Taille. Taschenuhren sind heute weitgehend aus der Mode gekommen. Ab etwa 1930 wurden sie zunächst durch Armbanduhren ersetzt.

Tragbare Uhren wurden nachweislich schon ab dem frühen 15.Jahrhundert zunächst in Form von Taschenuhren gebaut, unter anderen von Peter Henlein. Sie wurden durch die Erfindung der Zugfeder möglich, die den Antrieb und die Unruh (noch mit Drehpendel) als Ersatz für das hängende Pendel als taktgebendes Element erlaubte. Dadurch konnten die Uhren auf handliche Größe schrumpfen. Christiaan Huygenserhielt ein französisches Patent für die Verwendung einer Spiralfedermit einer Unruh, die er nach einem Vorschlag von Jean de Hautefeuilleentwickelt hatte. Diese Kombination von Unruh und Spiralfeder wurde das zentrale Regulierorgan jeder mechanischen Armbanduhr. Da es in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bereits kleine Uhren am Fingerring und im Degenknauf gegeben hat, wird vermutet, dass es auch schon Armbanduhren gegeben haben könnte. Auch der französische Philosoph und Mathematiker Blaise Pascalsoll seine Taschenuhr am Handgelenk getragen haben. In einem Almanach du Dauphin aus dem Jahr 1772 wurde ein Pariser Uhrmacher in der Rue de Buci aufgeführt, der Ring- und Armbanduhren angeboten haben soll. Für die Zeit um 1790 wurden, etwa als Uhr, „qui est fixée sur un bracelet“, in einem Rechnungsbuch der Genfer Firma Jaquet-Droz & Leschot weitere in Armbänder integrierte Uhren genannt.

Der Pariser Hofjuwelier Étienne Nitot fertigte 1806 zwei mit Perlen besetzte Armbänder, von denen eines einen mechanischen Kalender, das andere eine kleine Uhr besitzt, und somit eine echte Armbanduhr darstellt (die Armbänder wurden ein Hochzeitsgeschenk der Kaiserin Joséphine de Beauharnais an ihre Schwiegertochter Auguste Amalia). Abraham Louis Breguet baute seine erste Armbanduhr für Caroline Murat im Jahr 1810. Bei den frühen Armbanduhren (zunächst auch als „Armbänder mit Uhren“, französisch bracelet-montre statt montre-bracelet bezeichnet) befindet sich die 12 oft noch in Richtung der Finger, so dass sich die ab etwa 1850 nachweisbare, leichter ablesbare Variante mit einer in Armrichtung parallel zum Armband verlaufenden Zifferblattachse von der 6 zur 12 durchsetzte. Bis ins 20. Jahrhundert herrschte jedoch die Taschenuhr vor. Armbanduhren wurden vor allem von Frauen getragen.

Weitere Miniaturisierungen der Uhrwerke ließen die Uhren auf Armbandgröße schrumpfen, und 1880 etwa hatte sich die Armbanduhr, zunächst als (um 1860 noch mit einem Schlüsselaufzug des Zylinderwerksversehener) Schmuck-Armbanduhr, als neue Uhrengattung etabliert. Um 1890 wurde es für einige Zeit Mode, die armbanduhrgroßen Damentaschenuhren an Ketten oder Bändern als Schmuckuhr am Handgelenk zu tragen. Diese Mode galt zunächst als „weibisch“ – Herren benutzten zunächst weiterhin die Taschenuhr an der Uhrkette. Diese erwies sich für manche Verwendungen jedoch als unhandlich, zum Beispiel bei kinderbetreuenden Müttern und Erzieherinnen, oder bei auf übereinstimmende Zeitmessung angewiesenen Soldaten, die ihre Hände für andere Tätigkeiten frei halten wollten. Girard-Perregaux soll neben anderen Schweizer Firmen, gemäß Jaquet und Chapuis ab etwa 1880 eine Serie von Armbanduhren für die deutsche Kriegsmarine produziert haben. Impulse zu ihrer Weiterentwicklung erhielten die Armbanduhr-Hersteller durch die von Adrien Philippe konzipierte Zeigerstellung von der Aufzugskrone her (1842 hatte er die erste Remontoiuhr, die statt eines Aufziehschlüssels über einen Kronenaufzug verfügt, erfunden).

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